Neurologische Reha

Die neurologische Rehabilitation unterstützt Menschen mit Störungen des Nervensystems im Sinne einer Anschlussheilbehandlung oder eines Heilverfahrens. Nachdem Patienten aufgrund akuter Symptome oder Krankheitsursachen meist stationär behandelt wurden, wird in der neurologischen Rehabilitation darauf hingearbeitet, neurologische Ausfälle oder Folgeschäden zu beheben oder zu lindern, Selbstständigkeit wieder herzustellen und die Lebensqualität der Rehabilitanden zu steigern.

Das wichtigste Ziel der neurologischen Rehabilitation ist, dass der Patient wieder zur Teilhabe am öffentlichen und sozialen Leben fähig ist und seinen Alltag - je nach persönlicher Situation - so selbstständig wie möglich meistern kann.

Was Sie über die neurologische Reha wissen müssen

Eine ältere Dame wird durch eine Mitarbeiterin einer Rehaklinik bei dem Ausfüllen eines Sudokus unterstützt.
© Robert Kneschke / Fotolia

Wenn Patienten von heute auf morgen ihre ganz grundlegenden, alltäglichen Kompetenzen verlieren, wie etwa die Fähigkeit

  • sich fortzubewegen,
  • zu essen und zu trinken,
  • sich be- und entkleiden,
  • sich zu waschen und das WC zu nutzen,
  • zu sprechen oder Sprache zu verstehen,
  • sich im Raum zu orientieren,

dann ist das zumeist ein Schock für die Betroffenen und deren Angehörige. Lesen und schreiben sowie das Bedienen von notwendigen Geräten, aber auch andere kognitive, psychomotorische sowie affektiv-emotionale Leistungen zählen ebenfalls zu den häufig betroffenen Kompetenzen. Nicht selten beinhalten verlorengegangene Fähigkeiten ernstzunehmende Gefahren in Form von Sturz-, Unfall- und Verletzungsrisiken.

Meist verbergen sich hinter akuten Funktionsausfällen neurologische Ursachen, also Krankheitsbilder, deren Vorgänge im Nervensystem ablaufen oder dieses beeinflussen. Dazu gehören unter anderem

Konnten in der Akutphase die Symptome gelindert werden, bleiben die Patienten oft mit den oben genannten Beschwerden bzw. Rest- oder Folgeschäden zurück. Die neurologische Rehabilitation hilft, diese Probleme zu beheben, indem sie gezielt neurologische Diagnostik und multimodale Therapie nutzt, um das Nervensystem anzuregen und den Patienten den Wiedereinstieg in ihren Alltag zu erleichtern. Je eher eine Rehabilitation beginnt, desto besser sind die Chancen darauf, dass die Symptome langfristig abklingen.

Als Leitsystem für die neurologische Rehabilitation dient die ICF (International Classification of Functioning, Disability and Health), also die international gültige Klassifizierung von Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit. Die ICF definiert vorliegende Beschwerden und Defizite, gibt aber auch die Möglichkeit, verbliebene Fähigkeiten des Patienten anzugeben. Sie beschreibt gewissermaßen den funktionellen Gesundheitszustand oder die Behinderung im Kontext mit der verbundenen sozialen Beeinträchtigung und relevanter Umgebungsfaktoren eines Menschen. Auf der Grundlage der ICF-Kriterien, die durch die Weltgesundheitsorganisation (WHO) formuliert und festgelegt wurden, können im Rahmen einer neurologischen Reha konkrete Maßnahmen zur Anwendung kommen, um festgelegte Ziele zu erreichen.

Anspruch auf eine neurologische Rehabilitation und Formen der Reha

Der rechtliche Anspruch ergibt sich aus den Sozialgesetzbüchern. Im Allgemeinen gilt, dass jeder Mensch Anspruch auf eine Neurologische Reha hat, dessen Krankheitsbild das Nervensystem nachhaltig geschädigt hat und die Phase der Regeneration über einen längeren Zeitraum verlaufen wird.

In einem Reha-Zentrum, einer Reha-Klinik und anderen Formen der neurologischen Rehabilitation existiert ein Phasenkonzept, das die neurologische Rehabilitation in verschiedene Behandlungsphasen untergliedert. Die Phase, in die ein Patient eingeordnet wird, richtet sich vorrangig nach Kriterien der Mobilität und der Selbstversorgungsfähigkeiten des Rehabilitanden und wird mittels Assessments (Bewertungsindizes) erhoben.

Der Ablauf einer neurologischen Rehabilitation verläuft nicht starr von Phase A bis Phase G. Nach der Erstversorgung in Phase A (in der Regel in einer Akutklinik) teilen die Spezialisten der Klinik den Patienten in eine der Phasen B bis G ein. Häufig ist nach der Akutbehandlung noch eine intensivierte Pflege und Therapie (Phase B) notwendig.

  • Phase A: Akutbehandlung der Erkrankung in der Klinik
  • Phase B: Frührehabilitation mit intensivmedizinischer Betreuung, die Patienten sind in der Regel bettlägerig respektive nicht selbstständig mobil
  • Phase C: Weiterführende Rehabilitation: Der Patient ist teilmobilisiert und ist fähig und gewillt dazu, an verschiedenen Therapieeinheiten teilzunehmen
  • Phase D: Anschlussheilbehandlung/Heilverfahren: Der Patient erledigt grundlegende Aufgaben des Alltags (waschen, essen, anziehen etc.) bereits selbstständig und kann den Alltag größtenteils allein bewältigen
  • Phase E: Nachsorge und berufliche Rehabilitation: Der Patient kann wieder zu Hause wohnen und ggf. in seinen Beruf zurückzukehren: Hier geht es darum, den Erfolg der Behandlung zu stabilisieren.
  • Phase F: Aktivierende Langzeitpflege für Patienten mit verbliebenen Fähigkeitsstörungen und unverändert hoher Pflegebedürftigkeit
  • Phase G: Ggf. betreutes und/oder begleitendes Wohnen

Indikationen einer neurologischen Rehabilitation

Ihr Krankheitsbild und Zustand entscheidet über die Ziele Ihrer Rehabilitation und die möglichen vielfältigen Reha-Maßnahmen. Typische Erkrankungen, die eine neurologische Rehabilitation indizieren, sind Durchblutungsstörungen des Gehirns (Schlaganfälle und Hirnblutungen), Verletzungen, Entzündungen und Tumoren des Gehirns, Muskelerkrankungen, (Poly-)Neuropathien, degenerative Syndrome (Demenzen, Parkinson-Syndrome) bis hin zu rheumatologischen Erkrankungen mit neurologischer Begleitsymptomatik.

Dazu gehören z. B. folgende Diagnosen oder Syndrome::

Zahlreiche Funktionsstörungen, die bei Erkrankungen des zentralen Nervensystems auftreten, können in der neurologischen Rehabilitation gezielt behandelt werden:

  • Paresen (Lähmungen), Spastizität
  • Stand- und Gangataxien, Gleichgewichtsstörungen, Koordinationsstörungen
  • Sensibilitätsstörungen
  • Aphasien (Sprachstörungen), Dysarthrie (Störung der Sprechmotorik)
  • Schluckstörungen
  • Gesichtsfeldeinschränkungen, Raumwahrnehmungsstörungen
  • Hirnleistungsstörungen, Orientierungs- und Gedächtnisstörungen
  • depressive Reaktionen, Anpassungsstörungen
  • u.v.m.

Ob ein oder mehrere funktionelle Defizite zur Indikation einer neurologischen Rehabilitation  führen und ob dies stationär oder ambulant durchgeführt werden sollte, wird im Einzelfall entschieden.

Leistungsspektrum einer neurologischen Reha

Innerhalb der Reha-Klinik nutzen Experten neben neurologischer Diagnostik und medizinischer Behandlung ergänzende Therapiefelder wie die Ergotherapie, die Physiotherapie, die Logopädie, die Neuropsychologie oder die Sport- und medizinische Trainingstherapie. Das Ziel ist es, Sie zu befähigen, so weit wie möglich die durch die Krankheit erlittenen Einschränkungen und Störungen rückgängig zu machen und die Mobilität, Selbstständigkeit und Teilhabe des Patienten wieder herzustellen.

Zu den Therapiezielen gehören:

  • passive und aktive Mobilisierung, Verbesserung der posturalen Kontrolle (Körperhaltung), Stand- und Gangschule, Treppentraining, Reduktion der Sturzgefahr
  • Verbesserung der Sensorik, Rückbildung von Sensibilitätsstörungen und Missempfindungen
  • multimodale Schmerzbehandlung
  • Verbesserung der Fein- und Grobmotorik, Koordinationstraining
  • Förderung der Raumwahrnehmung und der Raumexploration
  • Verbesserung der Schreib- und Lesefähigkeit
  • Training von Artikulation (Verständlichkeit) und Sprache (Sprachbildung- und Sprachverständnis)
  • Wiederherstellung der Schluckfähigkeit
  • Verbesserung der Stimmungslage, Förderung der Krankheitsverarbeitung
  • Normalisierung der Tagesrhythmik und des Schlafes

Motorik, Kommunikationsfähigkeit, Schluckfähigkeit und Wahrnehmung machen die Kernthemen einer neurologischen Rehabilitation aus. Je nach therapeutischem Schwerpunkt nutzen die Reha-Profis unterschiedliche Therapiekonzepte wie beispielsweise das Bobath-Konzept, die Propriozeptive Neuromuskuläre Fazilitation (PNF) oder die kognitiv-therapeutischen Übungen nach Perfetti.

Darüber hinaus gibt es

  • EMG-getriggerte Elektrostimulation
  • Transkutane elektrische Neurostimulation (TENS)
  • Biofeedback
  • Arm-BASIS-Training
  • Taub’sches Training
  • Laufbandtherapie und Gangtrainer/Gangroboter
  • Faciooraltrakt-Therapie (F.O.T.T.) nach Kay Coombes
  • die Wahrnehmungstherapie nach Affolter
  • u.v.m.

Die neurologische Rehabilitation – Chance für Betroffene und Angehörige

Neurologische Erkrankungen können jeden Menschen treffen – unabhängig von Alter, Geschlecht, Vorerkrankungen etc. Ob eine neurologische Rehabilitation notwendig ist, entscheidet sich jedoch im Einzelfall. Wenn Ihr Arzt Ihnen oder einem Ihrer Angehörigen eine neurologische Rehabilitation nahelegt, sollten Sie diese Chance wahrnehmen, um den Erfolg einer Akutbehandlung langfristig zu verbessern. Darüber hinaus kann ein neurologisches Heilverfahren auch im Falle chronischer Erkrankungen zu funktionellen Verbesserungen führen, die Ihre Mobilität, Selbstständigkeit, Lebensqualität und Teilhabe maßgeblich steigern.

Sollte Ihr unter 12 Jahre altes Kind betroffen sein, haben Sie die Möglichkeit, für die Zeitdauer der Rehabilitation Krankengeld zu erhalten und sich so voll und ganz auf die Genesung Ihres Kindes zu konzentrieren. Sind Sie selbst betroffen, erhalten Sie natürlich Krankengeld für die Phase der Rehabilitation.

Nutzen Sie die Chance für sich, Ihr Kind oder Ihre Eltern, neurologische Ausfälle zu kompensieren und das Risiko von bleibenden Schäden oder relevanter Einschränkungen im Alltag zu reduzieren. Die neurologische Rehabilitation berücksichtigt viele Bereiche menschlichen Verhaltens und Erlebens und stellt dem Patienten durch das Phasenkonzept verschiedene individuelle Maßnahmen zur Verfügung. Sie hat dabei stets das Ziel, dem Patienten die Teilhabe am persönlichen, sozialen und öffentlichen Alltag wieder zu ermöglichen.

Zuletzt geändert am: 14.02.2020

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