Reha für pflegende Angehörige

Reha für pflegende Angehörige

Um pflegebedürftige Menschen kümmern sich zum größten Teil ihre Familienangehörigen, teilweise unterstützt von ambulanten Pflegediensten; zwei Drittel der erwachsenen pflegenden Angehörigen sind Frauen. Dafür leistet die Pflegeversicherung mit dem Pflegegeld finanzielle Unterstützung, gestaffelt nach Pflegegraden. Dies erleichtert oft die Entscheidung für eine berufliche Auszeit, um ganz für familiäre Pflegeaufgaben da zu sein. Viele unterschätzen allerdings die Anforderungen familiärer Pflege. Hinzu kommt, dass sich mit steigendem Pflegegrad auch der Pflegeaufwand erhöht. Pflegende fühlen sich im Verlauf der Zeit schließlich überfordert, erschöpft, krank und verzweifelt. Immer noch wissen viele nicht, dass pflegenden Angehörigen neben weiteren Unterstützungs- und Entlastungsangeboten wie Fachstellen, Pflegestützpunkten, Pflegebegleitung, Angehörigengruppen, finanzielle Förderung u.a. gesetzlich eine stationäre Reha zusteht.

Wie die Pflege von Familienangehörigen an eigene Grenzen bringt

Pflegebedürftige sind meistens in ihrer Beweglichkeit eingeschränkt. Dies erfordert von Pflegenden bereits eine körperliche Anstrengung, die je nach Mobilitätseinschränkung zur Kraftprobe wird. Dazu handelt es sich bei Pflegenden im Familienkreis fast immer um Laien. Die Aufgabe ist zu Beginn neu: notwendiges Fachwissen, Techniken und Routine fehlen. Daher ist die physische Kraftanstrengung insbesondere in der ersten Zeit besonders hoch. Körperliche und seelische Beschwerden pflegender Angehöriger sind oft die Folge. Extreme Überlastung kann sogar in Aggression gegenüber der betreuten Person münden. Anschließende Schuldgefühle rauben noch mehr Kraft.

Ein eingetretener Pflegefall bedeutet stets auch eine Zäsur des bisherigen Familienlebens. Private Bedürfnisse stehen jetzt zurück hinter dem Management der Aufgaben eines kompliziert gewordenen Alltags. Die hohe Verantwortung löst Ängste aus, eines Tages nicht mehr wie gefordert zu funktionieren. Wenn Sie gerade selbst in dieser Situation stecken und fürchten, dass Ihnen alles zu viel wird, dürfen Sie aufatmen: Ihnen steht eine Reha für pflegende Angehörige zu.

Für wen kommt eine Reha für pflegende Angehörige infrage?

Einen Angehörigen über einen langen Zeitraum zu pflegen, kostet viel Kraft und Nerven. Mit der Zeit kommt der Pflegende häufig selbst an seine psychischen und physischen Grenzen. Muskelverspannungen, Rückenschmerzen und Kopfschmerzen sind typische körperliche Beeinträchtigungen pflegender Angehöriger. Ebenso treten seelische Beschwerden wie Depressionen, Schlafstörungen und starke Erschöpfung bis hin zum Burnout auf. Um dem entgegenzuwirken, gibt es mittlerweile verschiedene Reha-Modelle für pflegende Angehörige und ihre Schützlinge. Wer pflegt, muss selbst gesundheitlich fit sein.

Zum Teil bestehen auch Angebote zu einer Trainings- und Erholungswoche für Pflegende mit ähnlichen Inhalten wie bei der Rehabilitation und der Möglichkeit, den Pflegebedürftigen im Rahmen der Kurzzeitpflege oder Verhinderungspflege versorgen zu lassen.

Welche Gesetzesgrundlage regelt das Recht zur Reha pflegender Angehöriger?

Das Recht zur Reha für pflegende Angehörige regelt das Pflege-Neuausrichtungsgesetz (PNG). Es handelt sich bei dieser Reha um eine medizinische Vorsorgeleistung gemäß § 23 SGB V und § 40 SGB V. Schließlich bedeuten erbrachte Pflegeleistungen durch Familienangehörige eine große Entlastung in der Pflege allgemein. Wer sich so einbringt, hat bei entsprechender medizinischer Diagnose Anspruch auf eine solche Reha.

Ein Patient bekommt emotionalen Beistand, symbolisiert durch die Berührung der zusammengefalteten Hände durch eine andere Person.
© Ocskay Mark / Fotolia

Welche Voraussetzungen bestehen für die Reha für pflegende Angehörige?

Selbst wenn Sie sich bei der Pflege Ihres Familienangehörigen von einem ambulanten Pflegedienst unterstützen lassen, steht Ihnen eine Auszeit zu. Sie wird Ihnen mehr bringen als ein bloßer Erholungsurlaub. Treten mehrere der vorab beschriebenen Symptome bei Ihnen auf und sind die Therapiemöglichkeiten bei Ihnen am Ort inzwischen ausgeschöpft, dürften Sie die Voraussetzungen für die Reha-Maßnahme erfüllen.

Anders als bei einer Kur soll eine Rehabilitation nicht drohenden Gesundheitsschäden vorbeugen, sondern nach bereits eingetretenen Leiden die Gesundheit wieder herstellen.

Beantragung einer Reha für pflegende Angehörige

Erster Ansprechpartner für die Reha ist der Hausarzt. Er begründet die Notwendigkeit der Reha. Tipp: Spielen Sie nicht den Helden. Sie haben so viel in der häuslichen Pflege Ihres Angehörigen geleistet, da brauchen Sie nichts als selbstverständlich zu bagatellisieren. Sprechen Sie Ihre gesundheitlichen Probleme einschließlich psychischer Beschwerden deutlich an. Erklären Sie auch, wie sich Ihre gesundheitlichen Beeinträchtigungen negativ auf den Alltag inklusive der Pflege auswirken. Aus diesen Informationen erstellt Ihr Hausarzt eine umfassende Begründung für die Erforderlichkeit der Reha-Maßnahme. Am besten erarbeiten Sie mit Ihrem Arzt außerdem ein Konzept über die Ziele Ihrer Reha.

Da es bis zur Genehmigung einer Reha eine Weile dauert, beantragen Sie diese bitte rechtzeitig und nicht erst dann, wenn Sie bereits kurz vorm Zusammenbruch stehen.

Das ausgefüllte Antragsformular reichen Sie bei Ihrer Krankenkasse. Die Mitarbeiter helfen Ihnen bei Bedarf ebenfalls beim Ausfüllen des Reha-Antrags. Besitzen Sie medizinische Befundberichte, bringen Sie diese zum Beifügen mit. Ist die Krankenkasse ausnahmsweise nicht für Ihren Antrag zuständig, reicht sie ihn an die Rentenversicherung weiter.

Bei Genehmigung Ihrer Reha erhalten Sie vom zuständigen Leistungsträger den Genehmigungsbescheid. Eventuell wird Ihres Reha-Antrages zunächst abgelehnt. Legen Sie dann umgehend innerhalb einer Frist von einem Monat Widerspruch ein und begründen Sie diesen, gern auch mit Unterstützung Ihres Hausarztes.

Denken Sie stets daran: Als Pflegeperson von einem Angehörigen haben Sie einen Rechtsanspruch auf eine stationäre Rehabilitation. Erfahrungsgemäß wird den meisten abgelehnten Anträgen nach eingelegtem Widerspruch schließlich stattgegeben. Falls nicht, besteht als letzte Möglichkeit eine Klage über das Sozialgericht.

Für Privatversicherte sind im Krankenversicherungsvertrag häufig keine Rehabilitationsmaßnahmen enthalten. Trotzdem sollten sie Ihre Krankenversicherung ansprechen, ob es Möglichkeiten gibt, wenigstens einen Teil der Reha-Kosten erstattet zu bekommen.

Wie läuft eine Rehabilitation für pflegende Angehörige ab?

Eine Reha für pflegende Angehörige erstreckt sich im Allgemeinen über drei Wochen. Stellt sich während des Aufenthaltes heraus, dass drei Wochen nicht ausreichen, beantragt der behandelnde Arzt für Sie eine Verlängerung.

Der Arzt analysiert Ihre Gesundheitsbeschwerden und definiert Ihre persönlichen Ziele für einen Therapieerfolg – zum Beispiel:

  • Abstand finden vom Pflegealltag
  • Stabilisierung von Körper und Seele mittels Bewegung und Gesprächen
  • achtsamer Umgang mit sich selbst
  • Umgang mit Stress lernen und mit Methoden wie autogenem Training gegensteuern
  • Strategien kennenlernen zum Überwinden depressiver Phasen
  • Selbstbewusstsein stärken
  • Schuldgefühle mindern
  • Hilfsangebote nutzen, Stichwort: Tagespflege

In den Reha-Gesprächen werden Sie unter anderem erfahren, was Ihre Überlastung beim Pflegen auslöst. Sie lernen, wie Sie sich weniger belasten. Künftig werden Sie einiges anders machen. Sie erhalten Verständnis für Ihre Situation und Bestätigung dafür, dass Sie sich ohne schlechtes Gewissen persönliche Freiräume gönnen dürfen. Hilfreich ist auch der Austausch mit anderen Reha-Teilnehmern, der oft über das Ende der Reha hinaus fortbesteht und zusätzlichen Halt und Rat bedeutet.

Welche Vor- und Nachteile hat es, wenn der Pflegebedürftige zur Reha mitkommt?

Allein oder gemeinsam in die Reha - in erster Linie geht es bei einer solchen Rehabilitation um den Pflegenden. Dieser hat die Möglichkeit selbst zu entscheiden, ob er allein in die Reha gehen oder die pflegebedürftige Person mitnimmt.

Es ist möglich, den pflegebedürftigen Angehörigen während Ihrer Kur in die Kurzzeitpflege zu geben. Dort wird er professionell betreut und Sie können sich ganz auf Ihre Reha konzentrieren.

Natürlich kann der Pflegebedürftige auch zu Hause in gewohnter Umgebung bleiben, solange die Betreuung gewährleistet ist, etwa durch Angehörige oder eine Verhinderungspflege. Die Kosten hierfür übernimmt zumindest teilweise die Pflegekasse, die Sie auch bei der Organisation unterstützt. Die Kosten können nachträglich beantragt werden.

Wenn beides nicht geht oder Sie sich dabei unwohl fühlen, nehmen Sie doch den Pflegebedürftigen in die Reha mit. Mittlerweile gibt es Reha-Einrichtungen, die den Pflegebedürftigen mit aufnehmen, entweder im gleichen oder in einem separaten Zimmer. Alternativ können Sie Ihren Angehörigen in einer Kurzzeitpflegeeinrichtung in der Nähe wohnen lassen, sodass der Kontakt erhalten bleibt. Organisatorisch haben Sie dabei etwas mehr Aufwand:

  • Rehaaufenthalt und Kurzzeitpflegeplatz parallel organisieren
  • und möglichst früh die Kurzzeitpflege bei der Pflegekasse beantragen.

Nach der Reha

Setzen Sie die in der Reha erarbeiteten Ziele ab sofort um. Denken Sie dabei unbedingt auch an sich und kapitulieren Sie nicht vor Widerständen aus Ihrem Umfeld. Sie leisten wahrlich genug. Nehmen Sie sich regelmäßig persönliche Auszeiten, ob für Termine oder zum Vergnügen. Für längere Abwesenheiten über acht Stunden haben Sie die Möglichkeit, Ihren Pflegebedürftigen solange in einer Verhinderungspflege unterzubringen. Wichtig ist, bloß nicht wieder in den bisherigen Trott zu verfallen.

Auszeit für pflegende Angehörige

Energie , Kraft und Zuspruch geben, kann nur der, der auch selber genug davon hat. Damit das auch so bleibt, sollten Auszeiten wie Urlaub genommen werden können. Damit die Sorge um den Pflegebedürftigen nicht den ganzen Urlaub überschattet, sollte man sich rechtzeitig beraten lassen, um individuelle passende Lösungen für die Pflege während der Urlaubszeit zu gewährleisten.

Verhinderungspflege und Kurzzeitpflege können wie im Reha-Fall in Anspruch genommen werden.

Soll der Urlaub mit dem Pflegebedürftigen verbracht werden, gibt es von den Pflegekassen auch hier finanzielle Unterstützung. Allerdings nur, wenn der Urlaub in EU-Ländern sowie in Norwegen, Island, Liechtenstein oder der Schweiz verbracht wird.

Nähere Informationen erhalten Sie auch unter www.patientenberatung.de.

Fazit

Pflegende Angehörige haben einen harten Job: körperlich und seelisch. Ihre eigenen Bedürfnisse stellen sie oft zurück. Bevor es zu körperlichen und seelischen Beeinträchtigungen bis zum Burn-out kommt, nehmen Sie sich regelmäßige Auszeiten wie auch Urlaube. Sollten diese Vorsorgehilfen nicht mehr ausreichen, nutzen Sie eine Reha für pflegende Angehörige und stabilisieren Sie die gesundheitliche Verfassung. Sie zeigt, wie sich Pflegende in Zukunft ihren Alltag erleichtern – mit bestimmten Methoden und mehr Selbstbewusstsein beim Durchsetzen eigener Bedürfnisse.

Zuletzt geändert am: 01.10.2019

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