Vaskulitis (Blutgefäßrheuma)

Eine Vaskulitis (Blutgefäßrheuma) ist eine seltene Rheumaerkrankung und wird als eine Entzündung der Blutgefäße verstanden. Nach Angaben der Deutschen Rheuma-Liga leiden rund 16.500 Deutsche an einer Vaskulitis. Betroffen sind Menschen in jedem Lebensalter, Frauen und Männer gleichermaßen häufig.

Was ist die Ursache des Blutgefäßrheumas?

Das Immunsystem hat die Aufgabe Viren und Bakterien abzuwehren. Um das sicherzustellen müssen die Abwehrzellen innerhalb kürzester Zeit identifizieren, ob es sich um eine körpereigne Zelle, ein Bakterium oder ein Virus handelt. Allen rheumatischen Erkrankungen ist gemeinsam, dass bei der Identifikation und Abwehr Fehler auftreten. Körpereigene Strukturen werden mit Bakterien verwechselt und vom Immunsystem angegriffen.

Bei solchen Fehlreaktionen können auch die Wände von Blutgefäßen angegriffen werden. Da jedes menschliche Organ durch Blutgefäße versorgt wird, kann es im Rahmen solcher Entzündungen zur Schädigung nahezu jeden Organs kommen.

Welche Blutgefäße sind betroffen?

Die Vaskulitiden werden anhand der Größe der beteiligten Blutgefäße eingeteilt. Wenn sich mikroskopisch kleine Blutgefäße entzünden, spricht man von Kleingefäßvaskulitiden. Gemeint sind damit Kapillaren, Arteriolen und Venolen, die mit dem bloßen Auge nicht sichtbar sind. Bei der Entzündung von großen Blutgefäßen, wie z.B. der Hauptschlagader (Aorta), der Halsschlagader (Carotis-Arterie) oder der Schläfenlappenarterie (Temporal-Arterie), spricht man von Großgefäßvaskulitiden.

Es gibt eine Reihe von verschiedenen Krankheitsbildern, die von den Rheumatologen genau zugeordnet werden. Eine typische Kleingefäßvaskulitis ist die Granulomatose mit Polyangiitis (Wegener´sche Granulomatose). Eine typische Großgefäßvaskulitis ist die Riesenzellarteriitis (Arteriitis temporalis).

Schematische Darstellung des Weitertransportes der Abwehreiweiße im Blutgefäß.
© Kateryna_Kon - stock.adobe.com

Wie wird die Diagnose gestellt?

Die Diagnosestellung einer Vaskulitis ist schwierig, weil die Verläufe der Erkrankungen sehr unterschiedlich sind und nahezu jedes Organ des menschlichen Körpers betroffen sein kann.

Wenn ein Rheumatologe einen Verdacht auf eine Kleingefäßvaskulitis hat, wird er versuchen aus dem betroffen Organ eine Gewebeprobe zu gewinnen. Die entzündeten Blutgefäße sind so klein, dass sie nur unter dem Mikroskop beurteilt werden können.

Wenn der Rheumatologe den Verdacht auf eine Großgefäßvaskulitis hat, so wird er die betroffenen Blutgefäße mit Ultraschall, Magnetresonanztomographie (MRT) oder anderen speziellen Verfahren untersuchen.

Welche Beschwerden treten auf?

Jedes menschliche Organ wird von Blutgefäßen versorgt. Wenn sich diese entzünden, kann das Folgen für die Funktion des Organs haben. Der Rheumatologe muss jedes Organ gründlich untersuchen, um zu prüfen, ob eine Entzündung der Blutgefäße im Organ vorhanden ist. Eine Vaskulitis kann eine Vielzahl von Beschwerden verursachen:

 

  • Allgemeinsymptome
    Fieber, Müdigkeit und Gewichtsverlust können bei gesicherter Diagnose einer Vaskulitis auf entzündliche Aktivität und ein generalisiertes Stadium hinweisen.
  • HNO-Trakt, obere Atemwege
    Entzündungen der Blutgefäße im Nasenrachenraum können zu einer Schädigung der Nasenscheidewand, Paukenergüssen, einer Zerstörung des Nasenknorpels („Sattelnase“) und einer chronischen Entzündung der Luftröhre führen. Chronisch blutig-borkiger Schnupfen und chronische Nasenebenhöhlenentzündungen können die Folge sein.
  • Lunge
    Eine immunologisch-vermittelte Entzündung der Kapillaren der Lunge führt zu einer Einblutung in die Lunge. Eine Vermehrung der Bindegewebsfasern erhöht die Steifigkeit der Lunge (Lungenfibrose), was die Atemfunktion beeinträchtigt.
  • Niere
    Eine Entzündung der Nierenkelche (Glomerulonephritis) ist eine der bedrohlichsten Manifestationen einer Kleingefäßvaskulitis und bewirkt eine Verschlechterung der Nierenfunktion.
  • Periphere Nerven
    Periphere Nerven sind nicht selten betroffen, die Entzündung kann zu Nervenausfällen führen. Ausfälle von peripheren Nerven können sich innerhalb kürzester Zeit („über Nacht“) in dramatischem Ausmaß entwickeln.
  • Auge
    Eine Entzündung der äußeren Aderhaut (Skleritis) und der mittleren Augenhaut (Uveitis) sind mögliche Manifestationen einer Kleingefäßvaskulitis. Eine unzureichende Behandlung beider klinischen Manifestationen kann zur Verschlechterung des Sehvermögens führen.
  • Herz
    Eine Beteiligung des Herzens in Form einer Muskelentzündung (Myokarditis) oder einer Herzbeutelentzündung (Perikarditis) ist häufig prognoseentscheidend für den Gesamtverlauf der Erkrankung. Es ist zu bedenken, dass Patienten mit Vaskulitiden ein erhöhtes Risikoprofil für Herzkranzgefäßverschlüsse (koronare Herzkrankheit) haben.
  • Gelenke/Muskeln
    Muskelschmerzen, Gelenkschmerzen und Gelenkentzündungen treten bei allen Vaskulitiden auf, sind aber meistens weniger gefährlich als bei Gelenkrheumaerkrankungen.
  • Zentrales Nervensystem (Gehirn, Hirnhäute)
    Eine Beteiligung der Gehirnnerven oder der Hirnhäute (Meningitis) kann mit sehr ernsten klinischen Verläufen vergesellschaftet sein, ist aber im Vergleich zu den anderen Organmanifestationen eher selten. Die Beschwerden können einem Schlaganfall ähneln.
  • Haut
    Eine Entzündung von kleinen Blutgefäßen der Haut ist sehr häufig. Viele rote Flecken von wenigen Millimetern Größe (Petechien) an den Unterschenkeln sind typisch. Besonders schwere Entzündungen können zu chronischen Wunden führen.
  • Magen und Darm
    Entzündliche Aktivität einer Vaskulitis am Gastrointestinaltrakt findet sich einigen Kleingefäßvaskulitiden. Es ist zu bedenken, dass im Rahmen von unerwünschten Arzneimittelwirkungen auch Probleme am Magen und Darm auftreten können und von Entzündungen abgegrenzt werden müssen.
  • Knochen
    Eine Osteoporose ist eine häufige und für den Rehabilitationsprozess wichtige Begleiterkrankung bei Patienten mit Vaskulitis. Dieses liegt an der Krankheitsaktivität selbst, langfristigen Kortisongaben und krankheitsbedingter Immobilität.
  • Psychische Komorbidität
    Bei den Vaskulitiden handelt es sich um potentiell lebensbedrohliche Erkrankungen, bei denen es in vielen Fällen zu Rezidiven kommt. Depression und Angststörung können die Folge sein. Außerdem sind psychische Manifestationen als unerwünschte Arzneimittelwirkung von hochdosierten Kortison möglich.

Wie wird in einer Rehabilitation therapiert?

Im Rahmen einer stationären Rehabilitation werden Patienten mit einer Vielzahl von Therapien behandelt, die sich ergänzen und aufeinander abgestimmt sind:

  • Information und Schulung
    Es ist bekannt, dass Patienten, die gute Kenntnisse über ihre Erkrankungen haben, viel besser mit Krankheitssymptomen umgehen können. Die Informationen werden im Rahmen von Schulungen, durch Bücher und Informationsbroschüren vermittelt. Wichtig ist auch der Austausch der Patienten untereinander. Da die Erkrankungen insgesamt sehr selten sind, ist es sinnvoll Patienten aus ganz Deutschland an wenigen spezialisierten Zentren zu konzentrieren.
  • Bewegungstherapie/Sporttherapie
    Bei der Bewegungstherapie (Nordic Walking, Wassergymnastik, Funktionstraining, Ergometer-Therapie) geht es nicht nur um die Verbesserung der Beweglichkeit der Gelenke. Vielmehr können durch gezielte Anwendungen Entzündungsrektionen reduziert werden.
  • Ernährung
    Im Rahmen einer rheumatologischen Rehabilitation erhalten die Patienten Vorträge zur Ernährung und kochen gemeinsam in der Lehrküche. Durch die Ernährung können rheumatische Entzündungen positiv beeinflusst werden.
  • Beruf
    Die berufliche Situation ist ein zentrales Thema der Rehabilitation. Es ist wichtig nach einer schweren, möglicherweise lebensbedrohlichen Krankheitsepisode wieder berufliche Perspektiven zu erarbeiten.
  • Motivation zur Teilnahme an Selbsthilfegruppen
    Die Teilnahme an einer Selbsthilfegruppe kann helfen, die in der Rehabilitation erreichten Erfolge langfristig zu erhalten. Aufgrund der Seltenheit der Krankheitsbilder kann es schwierig sein vor Ort spezifische Selbsthilfegruppen zu finden. Eine Lösung können überörtliche Angebote der Deutschen Rheumaliga zum Thema Vaskulitis sein.
  • Verhindern von Erkrankungen der Herzkranzgefäße und von Schlaganfällen
    Durch die chronische Entzündungssituation besteht ein deutlich erhöhtes Risikoprofil für nicht-entzündliche Erkrankungen der Herzkranzgefäße und von Schlaganfällen. Ein allgemeines aerobes Herz-Kreislauf-Training durch Bewegungstherapie ist bei jeder Form der Vaskulitis indiziert. Je nach Belastbarkeit bieten sich Nordic Walking, Walking, Ergometer-Training und Wassergymnastik an. Beeinflussbare kardiovaskuläre Risikofaktoren sollten reduziert werden. Dieses beinhaltet u.a. eine gezielte Nikotinentwöhnung, Gewichtsreduktion bei Übergewicht und Kenntnisse bezüglich einer gesunden Ernährung (Lehrküche, Ernährungsvorträge, Einzelberatung).
  • Verbesserung der Lungenfunktion
    Stärkung der Atem-Hilfsmuskulatur durch Atemgymnastik. Allgemeines aerobes Training.
  • Verhindern einer Osteoporose mit Wirbelkörperfrakturen
    Das Risiko für eine Osteoporose ist deutlich erhöht. Alle Patienten mit Vaskulitis sollten durch einen Knochenspezialisten (Osteologe DVO) untersucht werden und das Risiko für Knochenbrüche sollte von diesem eingeschätzt werden (strukturiertes osteologisches Assessment).
  • Stabilisierung der Psyche
    In Gruppenanwendungen geht es um die Bewältigung von psychischen Problemen als Folge der schweren Grunderkrankung. Psychologische Einzelgespräche sollten durch einen Therapeuten geführt werden, der spezifische Kenntnisse über das vorliegende Krankheitsbild hat.
  • Schutz der Niere
    Wenn die Entzündung in der Niere komplett zurückgedrängt ist, ist das Ausschalten aller anderen potentiell nierenschädigenden Begleitfaktoren (Bluthochdruck, Medikamente etc.) wichtig.
  • Koordination der Hände
    Aktive thermische Anwendungen, z.B. Bewegungsübungen der Hände in warmem Raps, verbessern das Wohlbefinden und die Feinmotorik der Hände.

Zentrumsbildung in der Rehabilitation

Vaskulitiden sind selten, schwierig zu diagnostizieren und gefährlich. Daher werden Patienten mit Vaskulitis in der Akutmedizin in spezialisierten Zentren behandelt. Diese Entwicklung ist auch für die Rehabilitation sinnvoll.

Entscheidend für eine Zentrumsbildung zur Rehabilitation von Patienten mit Vaskulitis ist ein Therapieteam, das viel Erfahrung mit der Behandlung dieser Erkrankungen hat. Alarmsignale müssen richtig interpretiert werden. Eine enge Kooperation der Rehaklinik mit einem akutmedizinischen Vaskulitis-Zentrum ist für den Fall einer akuten Verschlechterung unerlässlich. Schulungen des gesamten Therapieteams müssen regelmäßig stattfinden. Therapeutische Anwendungen auf Ebene des Körpers (Physiotherapie, Ergotherapie und Sporttherapie) und auf Ebene der Psyche (psychologische Schulungen) können nur gelingen, wenn der Therapeut detaillierte Kenntnisse über die vorliegende Erkrankung und ihre Funktionsstörungen hat.

Fazit

Vaskulitiden sind Erkrankungen mit potentiell bedrohlichen Verläufen, die nahezu jedes Organsystem befallen können. Die Rehabilitation sollte in spezialisierten Zentren erfolgen, um eine möglichst hohe Versorgungsqualität sicherzustellen.

zuletzt geändert am: 24.06.2019

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