Qualität in der Reha

Spannungsfeld zwischen evidenzbasierten Ergebnissen und reinem Marketing?

Trotz umfassender Qualitätssicherung und Erhebung von Qualitätsparametern in der Reha mangelt es an Transparenz und Verständlichkeit. Dabei könnten Qualitätsergebnisse in einer vereinfachten Aufbereitung dazu beitragen, dass die Reha als leistungsstarker und wirksamer Sektor wahrgenommen wird und Patientinnen und Patienten bei der Auswahl der passenden Rehaklinik unterstützt werden. Solange valide und geeignete Parameter für herangezogen werden ist patientenorientiertes Marketing sinnvoll und möglich.

Qualitätssicherung wird im Gesundheitswesen längst nicht mehr nur als eine Maßnahme verstanden, die durch gesetzlichen Auftrag auferlegt wurde, sondern gehört seit vielen Jahren selbstverständlich zum Alltag von Rehabilitationseinrichtungen. Das Rehabilitationssystem ist in Deutschland ein gewachsener, hoch spezialisierter Teil des Gesundheitswesens, der strengen gesetzlichen Vorgaben der Qualitätssicherung unterliegt. Diese finden sich fest verankert in § 20 Abs. 1 SGB IX, regeln die externe Qualitätssicherung der Leistungserbringer durch die Kostenträger und dienen der unabhängigen Prüfung, Bewertung sowie dem Vergleich von Qualität in den Rehabilitations-einrichtungen.

Bei aller Sorgfalt und nachweislich positiven Effekten dieser Maßnahmen mangelt es jedoch an Transparenz und Einheitlichkeit in den Messsystemen und vor allem den Ergebnissen. Die von den Kostenträgern erhobenen Daten werden ausschließlich den Kliniken zur Verfügung gestellt. Patienten erfahren von erreichten Qualitätszielen maximal auf den Webseiten der Kliniken, in der Regel aber gar nicht. Und wenn, dann sind die Inhalte für den Patienten größtenteils nicht relevant oder unverständlich.

Das Recht der Mitbestimmung

Patienten und ihre Angehörigen möchten sich jedoch darüber informieren, welche Rehaklinik von ihrem persönlichen Standpunkt aus die Beste für sie ist, bevor sie sich einer Behandlung unterziehen. Und das ist ihr gutes Recht: Für die Behandlung in einer Rehaklinik gilt das Wunsch- und Wahlrecht nach §8 SGB IX, wonach Patienten jede geeignete Rehabilitationsklinik wählen können, solange ein Versorgungsvertrag zwischen der Einrichtung und dem Kostenträger besteht, die Klinik Qualitäts-standards einhält und sie für die Erkrankung fachlich geeignet ist. Von diesem Recht wissen Patienten oftmals nichts. Da der Patient als Kunde in diesem speziellen Markt nicht direkt für die Leistung bezahlt und ein Antragsverfahren beim Kostenträger erfolgen muss, wird die Mitteilung einer konkreten Rehaklinik häufig ohne weitere Nachfrage hingenommen – eine selbstbestimmte Entscheidung bleibt aus. Galt bis zum Jahr 2015 noch „Die billigste Klinik ist auch die beste für den Patienten" als Bewilligungs-praxis, finden derzeit immerhin erste Schritte in Richtung einer qualitätsorientierten Belegungspraxis statt.

Behandlungsergebnis oder W-Lan?

Klar ist aber, dass Patienten sich über bevorstehende Klinikaufenthalte und Behandlungen umfassend informieren. Sie möchten aktiv in den Prozess der Heilung eingebunden sein, erkundigen sich selbstständig über Angebote verschiedener Einrichtungen, und 75 % der Befragten würden einer Forsa-Umfrage zufolge die Auswahl einer Einrichtung nicht allein Ihrem Arzt überlassen. Familie und Freunde sind weiterhin beliebte Unterstützer bei der Meinungsbildung. Eine Vielzahl der Patienten nutzt heutzutage jedoch das Internet für die Recherche.

Bei der Suche nach Informationen geht es Patienten vor allem darum, verlässliche Aussagen zu einer Klinik und eine allgemeine Bewertung oder Empfehlung zu erhalten. Verschiedene Ausstattungs-merkmale der Einrichtung, die Frage, ob eine Begleitperson mitgebracht oder Kinder mit untergebracht werden können, die Lage der Klinik, Modernität und Erreichbarkeit sind bei der Entscheidung für oder gegen eine Rehaklinik von Bedeutung. Auch das Vorhandensein von TV und  W-Lan sind relevante Kriterien. Sind diese jedoch ausreichend, um über die Güte einer Klinik ein Urteil fällen zu können? Definitiv nicht. Wenn auch eine Wohlfühl-Atmosphäre zur schnelleren Genesung beitragen kann, so ist die fachlich kompetente medizinische Betreuung für ein gutes Behandlungsergebnis ausschlaggebend und erforderlich. Broschüren, bunte Bilder und Hochglanzmagazine als Marketinginstrumente werden den Leistungen der medizinischen Reha einfach nicht gerecht.

Evidenz muss her

Im Grunde wissen das auch die Patienten. Für ein gutes Behandlungsergebnis, das bestätigten Studien bereits vor mehr als 10 Jahren, würden Menschen auch weitere Wege auf sich nehmen. Die medizinische Kompetenz des Personals und ein erfolgreicher Heilungsprozess schlagen ein schickes Interieur bei Weitem. Empirisch erhobene und wissenschaftlich bewertete Ergebnisse flächen-deckend zusammenzutragen ist allerdings eine große Aufgabe. Mit den QS-Verfahren der Kosten-träger ist hier bereits ein großes Stück Weg gegangen. Bei der Erhebung sogenannter medizinischer Outcome Parameter steht die Branche jedoch erst am Anfang einer umfassenden und vergleichbaren Datensammlung. Abgesehen davon, dass vorhandene Informationen bisher kaum veröffentlicht werden, ist eine der größten Herausforderungen eine verständliche Darstellung im Rahmen des Public Reportings.

Und schon nähern wir uns dem Kern des Problems. Studien zum Informations- und Kommunikations-design legen offen, dass Patienten mit dem Umfang bestehender Informationsquellen zwar zufrieden, insbesondere mit Angaben in Bezug auf die Qualität von Einrichtungen jedoch vollkommen überfordert sind. 82 % der Befragten einer Studie wünschen sich verständlichere Informationen, vermissen objektive Bewertungen und aggregierte Empfehlungen mit einer klaren Symbolik. Die wenigen Quellen, die heutzutage Qualitätsinformationen veröffentlichen, ziehen sich in der Regel auf eine recht trockene und wissenschaftliche Darstellung zurück, sind projektbezogen oder regional begrenzt. Andere Quellen nutzen ausschließlich Informationen zur Ausstattung, Strukturqualität und subjektiven Zufriedenheit von (ehemaligen) Patienten. Nur die wenigsten Portale finden einen Ansatz, Qualität in mehreren Dimensionen zu erheben und in aggregierter Form darzustellen.

Informationsquelle Dr. Google

In Deutschland sind gegenwärtig 79,13 Millionen Menschen online. Das entspricht 96 Prozent der Bevölkerung. Im Schnitt verbringen die Deutschen vier Stunden und 37 Minuten pro Tag im Internet, Tendenz stetig steigend. Patientinnen und Patienten googlen sich zu Experten in eigener Sache und nutzen dafür unterschiedliche Kanäle:

  • Bewertungsportale mit Patientenbewertungen und (objektiven) Rankings
  • Klinikverzeichnisse: Adressverzeichnisse mit Basisprofilen von Rehakliniken
  • Blogs und Fachtexte mit Informationen zu Gesundheits- und Krankheitsthemen
  • Foren und Social Media mit Austauschmöglichkeiten zu Fragen rund um die Reha
  • Webseiten von Kliniken oder Klinikgruppen, die über ihr Angebot informieren
  • TOP-Listen mit einer Selektion von Kliniken, meist zuvor als Printversion veröffentlicht

In dieser Informationsflut ist es nicht einfach, sich zu orientieren. Zudem werden heutzutage täglich tausende neue Artikel zu allen möglichen Themen ins Netz gestellt, da jeder Anbieter um die vordersten Positionen im Google-Ranking buhlt. Wie können Patienten sich in dieser Vielfalt sicher sein, dass sie gute Informationen finden? Hier sind die Kliniken und Verantwortlichen im Gesundheitswesen selbst am Zug. Schließlich können sie damit gleich zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen: zum einen stellen sie sicher, dass die Informationen über die Einrichtung und die eigenen Leistungen korrekt sind, zum anderen nutzen sie damit die Möglichkeit, sich selbst im Wettbewerb zu positionieren.

Übersicht zu relevanten Bewertungsportalen im Gesundheitsbereich und deren Eigenschaften.
Analyse relevanter Bewertungsportale

Tue Gutes und rede darüber

Einrichtungen stehen vor der Herausforderung, sich in der digitalen Welt zu präsentieren. Als Rehaklinik im Web nicht überzeugend präsent zu sein, ist verschenktes Potenzial und ein Ignorieren der veränderten (digitalen) Kommunikation. Die meisten Klinik-Websites haben jedoch (noch) keine Reichweite und werden bei einer globalen Suche nach dem Begriff Rehabilitation oder einem Krankheitsbild nicht gleich gefunden. Das liegt daran, dass die meisten Internetauftritte von Rehakliniken den Anforderungen an Auffindbarkeit, Aktualität, gutem Content und hohem Ranking längst nicht mehr gewachsen sind.

Bei Plattformen und Portalen ist das in der Regel anders, da diese neben umfassendem Content auch über eine Vielzahl von Gesundheitseinrichtungen informieren und damit auf die Suchanfrage von Nutzerinnen und Nutzern fast immer eine Antwort geben können. Dem Bedürfnis nach objektiven Bewertungen werden zumindest einige der bekannten Bewertungs- oder Empfehlungsportale gerecht.

Rehakliniken müssen in Zukunft lauter für die nachweislich wirksamen und hochwertigen Leistungen werben und sich im wandelnden Markt positionieren. Reha ist ein wesentlicher Bestandteil einer integrierten Versorgung und soll als ein solcher auch in der Landschaft wahrgenommen werden. Die durch die Reha erzielten Behandlungserfolge sollten transparent gemacht werden und das nach Möglichkeit auf der Ebene jeder einzelner Klinik, aber eben auch in gesammelter Form und für jeden Patienten leicht verständlich und zugänglich.

Marketing meets Evidenz

Warum also nicht MIT (evidenzbasierten) Ergebnissen Patienten in einer Weise informieren, die sie verstehen und damit gleichsam Marketing für Kliniken machen? Solange geeignete, umfassende und valide Ergebnisse herangezogen, diese in einer vereinfachten Form präsentiert werden und man dadurch die wirksame und qualitativ hochwertige Leistung der Reha sichtbar wird – go for it! So kann aus belastbaren Parametern in Kombination mit wegweisenden Informationen patientenorientiertes Marketing werden.

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