Kurzzeitpflege statt Reha für Schwerverletzte

Nahtlose Weiterversorgung von Patienten nach einem Unfall oft nicht möglich. Nur 15 % der Patienten können direkt vom Krankenhaus in eine Rehaklinik verlegt werden, da Vorgaben der Deutschen Rentenversicherung nicht erfüllt werden. Deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie (DGU) fordert Reform.

Etwas 32.000 Schwerverletzte gibt es pro Jahr in Deutschland. Nach Verkehrsunfällen, Stürzen aus großer Höhe, Arbeitsunfällen aber auch Gewaltverbrechen werden Patienten in spezialisierten Traumazentren behandelt. Die Patienten haben lebensbedrohliche Verletzungen in mehreren Körperregionen oder Organen. Durch die Behandlung der Patienten mit einem Polytrauma in den rund 700 spezialisierten TraumaZentren konnte die Überlebensrate auf 88,2 % gesteigert werden (78 % im Jahr 2000). Nach der Akutbehandlung ist eine gezielte Rehabilitation erforderlich, um die Lebensqualität zu verbessern und die körperlichen aber auch psychischen Folgen eines Unfalls weiter zu behandeln.

In Anlehnung an die neurologische Reha wird die Reha von Polytrauma-Patienten in 6 Phasen gegliedert („Weißbuch Schwerverletztenversorgung“ der DGU):

  • Phase A: Akutbehandlung
  • Phase B: Frührehabilitation während der Akutbehandlung
  • Phase C: Postakute Rehabilitation
  • Phase D: Anschlussrehabilitation (z. B. AR, AHB, BGSW)
  • Phase E: Weiterführende Rehabilitation (z. B. Rehabilitation zur beruflichen Wiedereingliederung, Schmerzrehabilitation)
  • Phase F: Nachsorge bei bleibenden oder langfristigen Unfallfolgen.

Die Weiterleitung der Polytrauma-Patienten vom Krankenhaus (Phasen A und B) in die Rehaklinik (insbesondere Phase C) stellt in der Praxis aber ein gravierendes Problem dar. Die Deutsche Rentenversicherung gibt vor, dass nur Patienten in eine Rehaklinik dürfen, die rehafähig sind. Die aktive Teilnahme an der Behandlung oder Gruppentherapien muss den Patienten möglich sein, um ein positives Ergebnis der Reha erwarten zu können. Deshalb ist z. B. die Rehafähigkeit bei Patienten nicht gegeben, wenn:

  • die körperliche Belastbarkeit von Knochen oder Gelenken nicht oder nicht ausreichend möglich ist. Patienten müssen selbstständig essen und sich waschen können.
  • die psychische Verfassung eine Teilnahme an der Therapie verhindert (starke Depression, Selbstmordgefährdung)
  • Wundheilungsstörungen vorliegen
  • Isolation wegen einer Infektionen mit Keimen notwendig ist

Aufgrund dieser Vorgaben können nur etwas 15 % der Schwerverletzen eine Reha direkt nach der Akutbehandlung beginnen. Stattdessen kommen die Patienten zurück nach Hause oder in die Kurzzeitpflege. Oft kann die eigentlich Reha erst nach 3 bis 6 Monaten nach der Entlassung aus dem Krankenhaus beginnen. Professor Michael J. Raschke, der Präsident der DGU und Direktor der Klinik für Unfall-, Hand- und Wiederherstellungschirurgie am Universitätsklinikum Münster, äußert sich dazu in einem Artikel der Frankfurter Allgemeine Zeitung: „Damit entsteht eine Phase des Stillstands, die den Unfallverletzten in seinem Genesungsprozess zurückwirft“. Die Patienten fallen in ein „Reha-Loch“.

Die Fachgesellschaften fordern daher, die bestehenden Regelungen bezüglich der Rehafähigkeit für Schwerverletzte anzupassen. Nur so kann vermieden werden, dass Patienten in einem schlechteren Gesundheitszustand mit der Reha beginnen, als dieser zum Entlassungszeitpunkt aus dem Krankenhaus war. Außerdem kann die Dauer der Rehabilitation durch einen frühen Beginn deutlich verkürzt werden, was nicht nur einen großen Vorteil für die Patienten bedeutet sondern auch mit Kosteneinsparungen bei den Sozialversicherungen einhergeht.

Foto eines Unfallautos auf der Seite und eines Feuerwehrautos.

07.08.2020

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