Pathologisches Spielen

Spielen macht Spaß – es fördert Teamfähigkeit und Kreativität. Es hilft, gemeinsame Regeln aufzustellen und Entscheidungen zu treffen. Oft lässt es uns die Zeit vergessen und in Phantasiewelten eintauchen. Wir schulen unsere Feinmotorik, sind mit neuen Reizen konfrontiert oder freuen und ärgern uns über Sieg oder Niederlage. Spielen ist so alt wie die Menschheit. Mal geht es um Nervenkitzel, mal um das Gewinnen von Geld, und oft dient es einfach nur der Entspannung. In der Kindheit gehört Spielen im Grunde zu unseren elementaren Grunderfahrungen und Bedürfnissen. Im kindlichen Spiel werden tiefe emotionale Erfahrungen ermöglicht, Wünsche und Träume realisiert, soziale Rollen eingeübt und auch Vorstellungen von der persönlichen Zukunft entwickelt. Was soll nun daran gefährlich sein?

Was ist Pathologisches Spielen?

Es gibt Spiele, bei denen es um das Gewinnen von Geld geht: Glücksspiele. Der Reiz eines Geldgewinns macht Glücksspiele so spannend und interessant. Für die meisten Menschen ist auch das Glücksspielen das, was es sein sollte – ein harmloses Freizeitvergnügen. In der englischen Sprache wird zwischen „to play“ (spielen) und „to gamble“ (glücksspielen) unterschieden. In der deutschen Sprache gibt es diese Unterscheidung nicht. Eine mögliche Erklärung dafür, dass wir umgangssprachlich von „Spielern“ und „Spielsucht“ statt von „Glücksspielern“ und „Glücksspielsucht“ sprechen und damit die Erkrankung verharmlosen.

Die ersten Gewinne – egal, ob kleine oder größere Geldbeträge – werden oft als persönlicher Erfolg gewertet. Schnell wird das Glück im Spiel mit der eigenen Leistungsfähigkeit gleichgesetzt. Das schöne Gefühl, z. B. den Automaten überlistet zu haben, verführt zu immer höheren Einsätzen und dem Trugschluss, dass es auch beim nächsten Mal funktionieren könnte. Scheinbar ist alles noch unter Kontrolle. Das anfänglich moderate Freizeit-Zocken entwickelt sich zu regelmäßigen Besuchen in der Spielhalle.

Bestimmt das Spielen um Geld, das Hoffen auf den großen Gewinn oder die virtuelle Realität des Internets mit Gamen, Wetten, Chatten, Surfen oder Streamen letztendlich den Alltag, hat das erhebliche Konsequenzen für die eigene Gesundheit, die Lebens- und Erlebensqualität, die sozialen Beziehungen und die existentielle Grundlage. Trotz tiefgreifender Nachteile können Betroffene mit dem Glücksspielen nicht mehr aufhören. Sie spielen immer weiter – bis alles Geld verspielt ist. Ein unwiderstehlicher Drang treibt sie zum Glücksspiel, in der Hoffnung zu gewinnen oder verlorenes Geld zurückzugewinnen. Diese Menschen können zu einem bestimmten Zeitpunkt nicht mehr entscheiden, ob sie dem Glücksspiel wirklich nachgehen möchten und verlieren nach und nach die Kontrolle bzw. Steuerung über ihr Spielverhalten. Immer öfter kommt es zum Totalverlust des gesamten Einsatzes. Angetrieben von der Vorstellung, verlorenes Geld zurückzugewinnen wird die Risikobereitschaft größer und eine Eigendynamik setzt ein. Gleichzeitig wird das Glücksspiel vor Freunden und Familie verheimlicht. Die mittlerweile krankhaft Spielenden versprechen sich selbst und ihrem Umfeld immer wieder, das Glücksspiel zu beenden. Das Scheitern führt zu Selbstverachtung und Verzweiflung. Die Abwärtsspirale dreht sich unaufhörlich weiter – mit oft verheerenden beruflichen, privaten und finanziellen Folgen.

In diesen Fällen wird von Glücksspielsucht oder dem krankhaften bzw. pathologischen Glücksspiel gesprochen.

Diagnose

Die Diagnosestellung erfolgt durch einen Arzt oder durch eine örtliche Suchtberatungsstelle, in der anonym und kostenfrei Beratungsgespräche in Anspruch genommen werden können.

Relevante diagnostische Kriterien einer pathologischen Glücksspielsucht sind unter anderem:

  • Spielverhalten beherrscht persönliche Lebensführung
  • Beeinträchtigung der sozialen, beruflichen und materiellen Belange
  • ständiges Gedankenkreisen um das Spielen
  • unkontrollierbarer Drang zu spielen
  • Inkaufnehmen hoher Schulden
  • Lügen und Straftaten zur Geldbeschaffung
  • Gefährdung der beruflichen Existenz
  • Vernachlässigung der familiären Bindungen und Beziehungen
Abbildung eines Glückspielautomatens in Bezug auf pathologisches Spielen.
© Tomasz Zajda - stock.adobe.com

Symptome

Das Pathologische Glücksspielen führt in den meisten Fällen zu starken Einschränkungen im Alltag. Die Gedanken drehen sich immer weniger um soziale oder berufliche Themen, sondern ausschließlich um das nächste Spiel und das dafür benötigte Geld. Die Sucht bestimmt den kompletten Tagesrhythmus. Denn wenn auch am Anfang noch kleine Einsätze und Gewinne zu Euphorie führten, brauchen die Glücksspieler immer höhere Anreize, um den gewünschten Kick zu erreichen. Die Symptome des Glücksspielens sind sehr unterschiedlich und individuell ausgeprägt.

Mögliche Wirkungen des Glücksspielverhaltens können sein:

  • angenehme Spannung und Nervenkitzel
  • sozialer Rückzug und der Wunsch nach Ruhe
  • Gefühl der Überlegenheit
  • Verdrängung von Konflikten und Problemen
  • Betäubung von Selbstvorwürfen und -zweifeln
  • Betäubung körperlicher Schmerzen
  • Gefühl der Spielkontrolle
  • weniger Langeweile
  • keine Ohnmachtsgefühle und Wut mehr
  • Abhilfe bei depressiver Stimmung
  • Spielverlangen stillen
  • keine Einsamkeitsgefühle
  • Ausgleich finanzieller Verluste
  • Erzeugung einer guten Stimmung und Glücksgefühle
  • Betäubung von Gefühlen wie Leere und Erschöpfung
  • Stressabbau und Spannungsreduktion
  • Gemeinschaftsgefühl mit anderen Spielern erleben
  • Hilfe gegen Angst und Hemmungen

Kann aus irgendeinem Grund nicht gespielt werden, werden Glücksspieler unruhig und gereizt. Der immer wieder erlebte Kontrollverlust führt zu Ängsten und Schuldgefühlen, die mit neuen Spielrunden verdrängt werden. Freunde und Familie werden belogen, um das wahre Ausmaß zu vertuschen. Der Suchtdruck führt zu immer neuen Versuchen, verlorenes Geld zurückzugewinnen.

Ein möglicher Spielentzug kann folgende Symptome nach sich ziehen:

  • innere Spannung und Unruhe
  • Schlafschwierigkeiten und -störungen
  • Ängste und Depressionen
  • gereizte Stimmung
  • Nervosität und Zittern
  • Aggressivität
  • Gefühle von innerer Leere
  • Selbstzweifel und Schuldgefühle sowie
  • Schmerzen

Wird das Spielen zum Lebensinhalt drohen weitere negativen Auswirkungen, wie:

  • Trennung von der Ehefrau/dem Ehemann oder Partner/in
  • Verlust von Freunden und dem sozialen Umfeld
  • sozialer Rückzug mit Einsamkeit
  • Eröffnung von Strafverfahren und mögliche Haftstrafen
  • Verlust der beruflichen Existenz
  • finanzielle Probleme bis zum Aufbau von Schulden
  • Entwicklung psychosomatischer Beschwerden
  • Schuldgefühle
  • Entwicklung einer depressiven Stimmung
  • Suizidversuche

Behandlungsmöglichkeiten

Die Behandlung pathologischer Glücksspieler kann sowohl im ambulanten als auch im stationären Rahmen erfolgen. Erste sinnvolle Anlaufstelle für eine Behandlung ist in jedem Fall eine regionale Suchtbehandlungsstelle. Sie bietet Hilfestellungen bei Fragen zu den Behandlungsmöglichkeiten und bei der Antragsstellung. Darüber hinaus sind Selbsthilfegruppen und die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) weiterführende Unterstützungsstellen. Alle Stellen bieten anonyme, vertrauliche und kostenfreie Beratung. Zusammen mit den Experten wird gemeinsam entschieden, welche Behandlungsform im individuellen Fall am günstigsten ist.

Sind die sozialen und psychischen Folgen des pathologischen Glücksspielens noch gering ausgeprägt, kann eine Behandlung im ambulanten Setting sinnvoll sein. Ambulant behandelte Patienten sollten ausreichend sozial integriert sein und auf eine stabile Wohnsituation, verbindliche soziale Bezüge sowie auf eine berufliche Integration zurückgreifen können. Als praktikabel erweist sich eine ambulante Therapie dann, wenn z.B. die berufliche Tätigkeit weiterhin ausgeübt werden oder die Kinderbetreuung gewährleistet sein muss. Voraussetzungen für eine Teilnahme an einer ambulanten Therapie sind die regelmäßige Teilnahme, eine aktive Mitarbeit sowie die Glücksspielabstinenz. Die ambulante Therapieform erstreckt sich über einen Zeitraum von 1 bis 2 Jahren.

Wenn die soziale Integration sowie die beruflichen und sozialen Bezüge nicht mehr ausreichend gegeben sind, ist eine stationäre Behandlung in einer Rehabilitationseinrichtung sinnvoll.  

Stationäre Rehabilitation

Wesentliche Vorteile einer stationären Rehabilitationsbehandlung sind:

  • die jederzeit verfügbare ärztliche und psychotherapeutische Hilfe sowie
  • das geschützte Setting.

Insbesondere der geschützte Rahmen verhilft den Patientinnen und Patienten, auf das Glücksspielen zu verzichten und innerlich Abstand zu gewinnen. Der belastende Alltag rückt für eine Zeit in den Hintergrund und die eigene Gesundheit steht im Mittelpunkt. Die Therapie kann helfen, sich der Hintergründe des Suchtverhaltens bewusster zu werden und Ideen oder Strategien zu entwickeln, um sich allmählich davon zu lösen.

Eine stationäre Behandlung bei einer Pathologischen Glücksspielsucht dauert mindestens 5 Wochen. Hierbei werden verschiedene Therapiefelder individuell und zielgerecht eingesetzt:

  • Gruppen- und Einzelpsychotherapie
  • Sport- und Bewegungstherapie
  • Kunst- und Kreativtherapie
  • Entspannungsverfahren
  • sozialarbeiterische und ärztliche Unterstützung

Wesentliche Therapieziele können sein:

  • dauerhafte Glücksspielabstinenz
  • kontrollierter Umgang mit elektronischen Medien
  • Auseinandersetzung mit der Abhängigkeitsthematik und ihren Bedingungen
  • Konflikte und Probleme konstruktiv bewältigen lernen
  • Selbstwertgefühl und Selbstvertrauen stärken
  • Gefühle wahrnehmen und zum Ausdruck bringen
  • Beziehungsfähigkeit entwickeln und soziale Kontakte aufbauen
  • existenzielle Grundlagen überprüfen und regulieren
  • sinnvolle Alternativen für die Lebens- und Freizeitgestaltung entwickeln
  • Erwerbsfähigkeit wiederherstellen und berufliche Perspektiven für den weiteren Lebensweg entwickeln

zuletzt geändert am: 02.12.2020

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